Lebenslauf von Yvonne
Die Entwicklung eines ADS - Kindes mit Hypermotorik - unsere
Yvonne, geboren am 31. August 1993
4 Jahre versuchten wir uns ständig am Nachwuchs, was aber nicht
so richtig klappen wollte. Eine Hormonbehandlung bei Dr.
Lukoschus in Steglitz erlöste uns von dem langen Warten. Der
anfängliche Ultraschall signalisierte uns Zwillinge – welch ein
Schreck und die bange Frage, wie man das mit einem Doppelpack
alles bewältigen will. Ein neues Auto war eh bestellt und so
wurde die Bestellung abgeändert in einen
Kombi mit einem
Kofferraum für einen Zwillingskinderwagen. Letztlich war es doch
nur eine Zyste, die zu diesen Irritationen führte, aber wir
hatten ein großes Auto.
In der 28. SSW bekam Elke Gestose und wurde an einem Freitag,
den 13., ins Klinikum Steglitz eingewiesen. Dabei kam heraus,
dass das Kind viel zu klein war und eine schlechte Durchblutung
hatte. Elke musste im Krankenhaus bleiben. Yvonne kam in der 31.
Woche mit einem Geburtsgewicht von 1020 g und einer Körperlänge
von 33 cm zur Welt. Sie hatte auf einer Hand Platz. Den ersten
Lebensmonat von Yvonne verbrachten wir in Doppelschichten am
Inkubator in der Neo A des
Klinikums Steglitz. Über die Neo B
und die Kinderstation kam Yvonne endlich Mitte November 1993
nach Hause. Sie wog zu dem Zeitpunkt 2130 g und war 42 cm groß.
Was war das für eine aufregend stressige Zeit gewesen. Aber
endlich kehrte Normalität in unser Familienleben ein.
Die kleine Yvonne gedieh prächtig. Bis zum 3. Lebensjahr hatte
sie ständig mit schwerer Bronchitis zu kämpfen. Der Pariboy
machte sich bezahlt. Bemerkenswert war die Kraft, die in dem
kleinen Wesen steckte und mit welcher Schnelligkeit sie auf
alles kletterte und sich an den kleinsten Vorsprüngen festhielt.
Bald wurde aber auch klar, dass ihre Lebhaftigkeit nicht ganz
normal war. Wir stellten sie erst in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie in der Platanenallee vor – dem Lager der
Verfechter der Verhaltenstherapien und gezielten Ernährung –
aber um Gottes Willen keine Medikamente. Später auf Anraten
unserer Kinderärztin bekamen
wir einen Termin bei Dr. Smikalla.
Wir wussten gleich, hier waren wir richtig. Die Art und Weise,
wie dieser Arzt auf Kinder zugeht, muß man einfach erlebt haben
– wirklich gut. Dr. Smikalla diagnostiziert unter Zuhilfenahme
von Videoaufzeichnungen – sehr effektiv und unbestechlich.
Zunehmend verfestigte sich die Diagnose auf ADS mit
Hypermotorik. Wir nahmen an einem Elternseminar von Dr. Smikalla
teil, welches den Umgang mit hypermotorischen Kindern zum Inhalt
hatte.
Viel Zeit ist vergangen - ein Schuljahr halt - es gab das erste
Zeugnis und Yvonne genießt der zeit ihre wohlverdienten Ferien.
Immer wieder hat sich bestätigt, daß unsere Entscheidung, sie an
diese katholische Schule mit der Besonderheit der
sonderpädagogischen Dehnungsklassen zu geben, richtig war.
Öfters hatte Yvonne in ihrer Wut, wenn etwas nicht so klappte,
wie sie wollte,
Ausfälle dergestalt, dass sie sich schreiend auf
dem Fußboden wälzte und damit massiv den Unterricht störte. Zum
Glück können die Kinder dann den Unterrichtsraum verlassen und
sich außerhalb beruhigen. Diese Attacken haben im Lauf der Zeit
nachgelassen. Aber sie entfernte sich immer noch zu häufig aus
der Gruppe, um allein zu sein und sich zu finden. Andererseits
wird ihr bescheinigt, dass sie mit Phantasie und Ideenvielfalt
den Unterricht nachhaltig bereicherte. Besonders kreativ ist
Yvonne beim Malen und Basteln. In ihrer Zeichentechnik ist sie
ihrem Alter weit voraus. Wenn sie gut drauf ist und mit
gekonnter Perspektive aus dem Kopf heraus Pokemon oder
Fabelwesen zeichnet, dann fragen Bekannte, die sie nicht so
kennen, ob sie das wirklich gemalt hat.
Insgesamt hat sie die Schule sehr gut gemeistert und in allem
Fortschritte gemacht, die wir so vor einem Jahr noch nicht für
möglich gehalten hätten. Interessant ist auch folgendes: Konnte
die kleine Yvonne, bevor die Medikamentation einsetzte,
wunderschön singen und sich auch die Liedertexte merken,
verstummte die kleine Lerche für lange Zeit. Jetzt durch die
Schule singt sie wieder und wir sind perplex, welches
umfangreiche Liedgut sie draufhat.
Wirkliche Highlights im Laufe des Schuljahres waren für Yvonne
das Probeschlafen in der Schule im letzten Herbst, der Umzug zum
St. Martinstag - St.Martin kam auf einem richtig großen Pferd
mit weitem roten Mantel und führte den Umzug an - und natürlich
eine Woche Aufenthalt im Schullandheim im Frühjahr.
Yvonne hat uns in diesem Jahr gezeigt, dass es für sie ganz
wichtig ist, dass der Tag nach festen Regeln abläuft. Wenn sie
Mittags aus der Schule nach Hause kam, brauchte sie unbedingt
eine Auszeit, um im Spiel die Geschehnisse in der Schule
nochmals zu verarbeiten. Erst danach konnte sie die Hausaufgaben
machen, wobei sich der Papa als echte Unterstützung
herauskristallisierte und nur noch er helfen durfte.
Wurde Yvonne anfangs von ihren Klassenkameraden wegen
ihrerSchreianfälle gemieden und nie eingeladen, so hat sich auch
das geändert. Problemlos können wir sie bei anderen Kindern
lassen und sie wird auch mittlerweile zu Geburtstagen
eingeladen.
© PM Juli 2001